Ich hatte es in meinem letzten Beitrag bereits angedeutet…und heute möchte ich Euch etwas ausführlicher davon berichten:
Ab Juli werde ich meine Arbeitszeit auf 90% reduzieren und die durch die Teilzeit gewonnene freie Zeit für Dinge nutzen, die mir persönlich wichtig sind: Also vor allem Freunde, Familie, Reisen, Sport und Programmieren. Auch mein soziales Engagement möchte ich etwas aus- oder wohl besser aufbauen.
Aber der Reihe nach: In diesem Beitrag könnt Ihr etwas über meine Motivation erfahren – warum mache ich das (jetzt) und was habe ich mir im Vorfeld für Gedanken gemacht? Ich gehe auch auf die Frage ein: Welche Möglichkeiten für Teilzeit es gibt – und was sind aus meiner Sicht die Vor- und Nachteile? Letztlich ein Überblick was die Konsequenzen sind und was gibt es zu beachten, wenn Du auch über einen solchen Schritt nachdenkst?
Meine Überlegungen
Ich habe mir schon mehrfach überlegt, ob ich meine Zeit so einsetze, wie es am sinnvollsten ist. Und es ist gut, sich mit dieser Frage regelmäßig zu beschäftigen, denn Zeit ist das einzige Gut, dass man nicht ersetzen kann (ja, Gesundheit auch nicht immer).
Zu schnell schleicht sich im Alltagstrott die eine oder andere schlechte Gewohnheit ein: Stress im Job, weil aktuell ein „ganz wichtiges“ Problem irgendwo aufgetreten ist. Keine Zeit mehr für ein vernünftiges Mittagessen wegen der neuesten Zahlen, die noch schnell eingebaut werden müssen. Weniger Sport, weil Du nach mehr als 8 Stunden Arbeit lieber einfach erschöpft auf das Sofa fällst. Wir kennen das sicher alle *Smiley zwinkern*
Aber geht es Dir manchmal so, dass das Gefühl die ganze Woche ist am Montag schon verplant und Du bist „durchgetaktet“ von Montag bis Freitag, direkt zu schlechter Stimmung führt? Ertappst Du Dich dabei zu überlegen, wie viel der Woche schon rum ist?
Immer geht es irgendwie um Zeit, die nicht ausreichend vorhanden ist. Meinst Du, dass Du auch so denken würdest, wenn Du das machst, was Dich begeistert? Nein? Kann ich verstehen…
Arbeiten Gehen beinhaltet aber ja durchaus auch positive Aspekte. Ein ganz pragmatischer: Schließlich kommt dadurch das Geld fürs Leben herein – sowohl für jetzt, als ein möglichst großer Teil als Sparquote auch für die Zukunft.
Plakativ vereinfacht zusammengefasst halt ein Tausch Zeit gegen Geld und im „Arbeitsleben“ sind mit Montag bis Freitag schon über 70% der Zeit schon zum größten Teil fremd verplant oder gehen für (über-)lebensnotwendiges wie Essen, Schlafen, Einkaufen drauf. Nur knapp 30% + 25-30 Tage Urlaub stehen Dir zur freien Verfügung und kannst Du gestalten wie Du möchtest *Smiley traurig*
Passt das so? Letztlich eine gute Frage für das zukünftige Ich: Werde ich mit 80 Jahren zurückblicken und mich fragen, ob ich mit (noch) mehr Arbeit vielleicht mehr „erreicht“ hätte? Wie für andere, auch für mich ein klares: NEIN!
Treffend fasst es schon Mark Twain zusammen, den ich auch als Intro auf unserem Reiseblog Wherever We Travel zitiere:
Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn’t do, than by the ones you did do!
Für mich gipfelten solche Gedanken Anfang des Jahres (kurz nach meinem 40sten Geburtstag) darin zu überlegen, wann der richtige Zeitpunkt ist weniger „für später“ zu erarbeiten und (noch) mehr im Jetzt nach meinen Ideen zu leben. Und ob das eine binäre Ganz-oder-Garnicht Entscheidung ist oder wie man vielleicht einen Zwischenschritt machen kann.
Die Frage mit dem Zeitpunkt war noch einfach: Jetzt! Wir haben alles was wir brauchen, sind gesund und treiben Sport, haben eine hohe Sparquote und genug Ideen…
(Vertragliche) Möglichkeiten
Blieb noch die Frage nach der optimalen Gestaltung – also wie bekomme ich etwas mehr freie Zeit ohne auf mein regelmäßiges Einkommen zu verzichten?
Jetzt muss ich aufpassen, dass nicht der Jurist in mir durchkommt, ich Euch aber trotzdem einen fundierten Überblick über meine Ideen gebe…
Anderer Job wäre zwar denkbar, aber nach meiner Erfahrung am Anfang eher mehr Arbeit, da man sich ein neues Netzwerk aufbauen und in neue unbekannte Themen einarbeiten muss.
Unbezahlter Urlaub / Sabbatical ist eine sehr gute Möglichkeit, die wir auch schon einmal für eine Weltreise genutzt haben. In Tätigkeiten mit Projektaufgaben wie zB in Beratungen sind die Vorgesetzten hier mittlerweile sehr offen für, auch wenn es keinen (gesetzlichen) Anspruch darauf gibt. Allerdings ist es regelmäßig eine einmalige Vereinbarung und man müsste dies jedes Jahr bzw für jeden freien Zeitraum wieder mit seinem Chef absprechen. Damit ist man zwar flexibel, aber regelmäßig auch in einer „Bittsteller“-Position.
Klassische Teilzeit klingt gut und ist ein gesetzlicher Anspruch, allerdings haben die meisten Arbeitgeber und Personaler da meistens die Idee, es handele sich um mehrere halbe Tage die Woche oder montags frei. Sozusagen der klassische Einsatzzweck für Eltern, um die Kinderbetreuung zu regeln.
Altersteilzeit? Dauert mir noch zu lange… *Smiley zwinkern*
Teilzeit im Blockmodell ist eine bisher weder bei Arbeitnehmern noch HR Abteilungen wirklich bekannte Form der Teilzeit, die zwar lange juristisch umstritten, nun aber dank einiger Lufthansa Mitarbeiter weitgehend anerkannt ist. Dabei haben sowohl normale Angestellte, wie auch Führungskräfte die Möglichkeit die freie Zeit in Blöcken, also mehreren Tagen oder Wochen, zusammenhängend freizunehmen – also defacto zusätzliche „quasi Urlaubstage“.
Hierbei gibt es einen großen Gestaltungsspielraum, wie dies vereinbart wird. Ein fester Zeitraum mit zB immer November / Dezember frei ist ebenso möglich wie flexible Tage, die wie Urlaub nach Absprache mit dem Vorgesetzten genommen werden, …
Letztlich eine Frage der Verhandlungen, wobei wir als Arbeitnehmer nach dem Gesetz eine sehr gute Verhandlungsposition haben. Schon nach Gesetz soll die „Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers“ erfolgen (§8 Abs 4 TzBfG). Die Möglichkeiten Eures Arbeitgebers dem etwas entgegenzuhalten sind sehr begrenzt und er muss seine Position im Zweifel beweisen.
Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich empfehle jedem eine einvernehmliche Lösung die alle Seiten und deren Sorgen berücksichtigt – es ist nur vor Verhandlungen immer gut zu wissen, wie stark die eigene Position ist und viele Arbeitnehmer unterschätzen ihre eigene *Smiley zwinkern*
Fazit: Das Blockmodell ist meine Lösung *Smiley cool*
Konsequenzen
Bevor jetzt jeder losrennt und auch einen entsprechenden Antrag beim Arbeitgeber stellt, solltet Ihr Euch unbedingt auch über die Konsequenzen im Klaren sein!
Weniger Geld ist noch das Offensichtlichste, wobei die exakte Höhe von vielen Faktoren abhängt. Je nach bisherigem Einkommen kommt bei Euch möglicherweise eine kleine Steuer-/Sozialabgabenersparnis dazu und Ihr verzichtet real auf weniger als 10% Eures Einkommens. Hier sind alle Gutverdiener übrigens im Nachteil, denn wenn das Einkommen auch bei 90% noch über der Kappungsgrenze für Sozialbeiträge liegt, bleiben diese absolut gleich – und fressen die Steuerersparnis auf.
Auch solltet Ihr klären, ob/ welcher Einfluss auf Bonuszahlungen besteht – im Zweifelsfall verhandeln und schriftlich festhalten.
Mögliche negative Auswirkungen auf die Karriere hängen stark von Euren Vorgesetzten ab… Hier ist alles denkbar vom Traditionalisten ( „der Job geht nur in 120% Vollzeit“ und „der setzt sich ja nicht (mehr) voll ein“ ) bis zum Generation Z Versteher ( „entspanntere Mitarbeiterführung“, „mehr Möglichkeiten für Team-Mitglieder sich zu profilieren“ ).
Reaktionen von Kollegen, Freunden und Eltern können von „klar, mache ich ja auch schon“ und „super, wie geht das“ bis zu „Du ruinierst Deine Karriere“ reichen. Ich würde trotzdem empfehlen hier irgendwann mit offenen Karten zu spielen, denn es kommt eh raus und zumindest ich bin lieber Teil von Diskussionen darüber als das nur über mich gesprochen wird…
Macht Euch am Anfang klar, dass Ihr Eure Entscheidung nicht (beliebig oft) ändern könnt. Das betrifft sowohl einen (weiteren) Antrag auf Reduzierung einer unbefristeten Teilzeit die nur alle 2 Jahre möglich ist (§8 TzBfG), als auch die „Verlängerung“ oder erneute Beantragung einer befristeten Teilzeit, vor der man 1 Jahr zurück in Vollzeit gehen muss (§9 TzBfG). Bei einem netten Arbeitgeber natürlich trotzdem alles einvernehmlich möglich, aber Ihr habt keinen Anspruch darauf.
Es gibt keinen Standardtext für die Reduzierung, weder den Antrag noch wie ein Vertrag hierzu aussehen muss. Außer in bestimmten Bereichen, wo es tarifvertragliche Regelungen dazu gibt, müsst Ihr das mit Eurer Personalabteilung erarbeiten.
Etwas skuril nach meiner Einschätzung *Smiley überrascht* , aber mit je mehr Leuten ich gesprochen habe, desto mehr unterschiedliche Berechnungsmethoden und tatsächlich bestehende Vereinbarungen habe ich zur Berechnung der zusätzlichen freien Tage gefunden:
Ihr könnt bei 22 bis 26 zusätzlichen freien Tagen im Jahr bei 10% weniger landen, je nach Basiswert der Arbeitstage pro Jahr (250-260), ob der Urlaubsanspruch separat gekürzt wird oder in voller Höhe bestehen bleibt, ob und wieviele Feiertage rein- oder rausgerechnet werden, …und vieles davon beeinflusst sich gegenseitig.
Das im Einzelnen darzustellen hebe ich mir mal für einen eigenen Beitrag auf, wenn dazu Interesse besteht.
Für mich alles keine „No-Gos“, aber wichtig zu wissen, worauf man sich einlässt und vorbereitet sein sollte.
Mein (persönliches) Fazit
90% sind ein tolles Zwischenziel auf dem Weg zur Finanziellen Freiheit, mit dem man schon im Jetzt mehr Zeit fürs Leben bekommen kann!
Für mich fühlt es sich richtig an, den Vertrag unterschrieben und ab Juli die Möglichkeit haben, mich mit mehr Freizeit anzufreunden…was übrigens nicht unbedingt weniger „Arbeit“ und „zu tun“ heißen wird *Smiley zwinkern*
Für alle die eher skeptisch sind, ob sie je genug Geld zusammensparen können komplett finanziell frei zu werden oder die glauben, dass sie weiter im bisherigen Beruf arbeiten wollen, könnte es eine Möglichkeit sein, eine Teilfreiheit oder etwas weniger Arbeitsstress zu haben!?
Was sind Deine Gedanken zur Reduktion von Arbeitszeit? Schon mal drüber nachgedacht? Fragen?
Lass uns diskutieren…
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Eine Rückfrage, die ich noch bekommen habe, möchte ich gerne für alle hier beantworten:
Der Anspruch auf Teilzeit besteht nach Gesetz besteht nur in größeren Betrieben mit regelmäßig mehr als 15 Beschäftigten. Trotzdem könnt Ihr es natürlich auch in kleineren versuchen, indem Ihr mit dem Chef sprecht…
Und zum Gehaltsausfall hatte ich noch eine schönes Gespräch, dessen Fazit man so zusammenfassen kann: Mit Teilzeit kann man nach entsprechender Vermögensaufbauphase schon mal einen Teil der finanziellen Freiheit genießen, auch wenn man es (noch) nicht ganz geschafft hat – quasi eine „Finanzielle Teil-Freiheit“ *Smiley zwinkern*
Hallo Thorsten,
super, dass Du mal wieder einen Post geschrieben hast. Ich finde es spannend, dass du die Teilzeit-Idee so löst. Den Block kannte ich als offizielles Modell noch nicht, das würde mich und bestimmt auch viele andere auf jeden Fall in einem eigenen Beitrag interessieren. Ich bin ja schon aus der Firmenwelt ausgestiegen, aber hätte in meinem direkten Umfeld noch jemanden, der das vielleicht nutzen könnte *Smiley zwinkern*.
Hi Katrin,
vielen Dank für Dein Feedback – immer gerne, wenn es anderen weiterhilft. Ich schaue mal, dass ich noch etwas zum Thema der Berechnung der Tage schreibe.
Sollten bis dahin konkrete Fragen bestehen, melde Dich gerne einfach…
[…] Most important difference, we will have more time to explore as both of us will reduce work-time to 90% and have more free days each year to travel (in case you understand German, I wrote about my thoughts and some more details on my blog) […]