Heute gehts darum, wie ich es gerade noch geschafft habe auf dem richtigen Weg zu langfristigem Erfolg zu bleiben, was eine gemeine Falle sein kann und wie Ihr meine Fehler vermeiden könnt.
Nach meinen ersten negativen Erfahrungen während der Dot-Com-Blase und meiner Rückkehr an den Aktienmarkt genau zum Zeitpunkt der Weltfinanzkrise die mir einiges an Durchhaltewillen abverlangte, kam schließlich nach einigen Jahren der Aufschwung.
So ab 2010 machte es plötzlich Spaß, denn beim Kauf einiger Anteile musste man nicht mehr in den folgenden Monaten mitansehen, dass das investierte Geld immer weniger Wert wurde. Stattdessen konnte man sich schon Tage nach einem Kauf über einige Prozente (Buch-)Gewinn freuen.
Man könnte sagen „Läuft!“ oder etwas übermütig „Ich habs drauf!“
Könnte? Warum „könnte“?
Naja, hatte ich es in der Zeit 2008 bis 2010 irgendwann geschafft mich mental gegen den Gedanken zu immunisieren, dass ich Geld vernichtete indem ich es in ETFs investierte, während viele um mich herum die Sicherheit der Tagesgelder und hohen Zinsen auf Festgelder genossen und mich das wissen ließen, schlug jetzt eine andere Psychofalle zu…
Plötzlich überall Börsenprofis
Alle die gestern Tagesgeld hatten schienen jetzt Börsenprofis geworden zu sein. Gefühlt jeder um mich herum kaufte Einzel-Aktien, Nebenwerte in exostischen Märkten, 5-fach oder mehr Hebelprodukte auf verschiedene Indices oder noch besser kombiniert einen 10-fach Hebel auf einen exotischen Nebenwert.
Meine beachtliche Rendite von teilweise 10% pro Jahr wirkte geradezu mickrig im Vergleich zu den Berichten und Ambitionen vieler um mich herum. 10 Prozent? Klar, mache ich auch aber pro Monat!
Heute weiß ich es natürlich besser und viele redeten zwar über „DIE Gewinner“, aber einige redeten nur im Nachinein darüber und andere ohne wirklich selbst investiert zu sein nur vom Hörensagen, aus der aktuellsten Börsenzeitung oder der angesagtesten Facebook Gruppe etc
Und ich?
Ich stellte alles in Frage: Ich hatte mich doch sehr intensiv mit Geldanlage beschäftigt, sollte also nicht der Dümmste sein. Aber mit meiner ETF-Strategie waren Verdoppelungen in 12 Monate einfach nicht drin. Ich wollte „mitspielen“ und mitreden können. Und was andere können, das kann ich auch!
Letztlich beschäftigte ich mich auch mit Hebelprodukten und sonstigen hoch-rentierlichen Investments. Morgens auf dem Weg zur Arbeit die Börsennews, in der Mittagspause von Kollegen die heißesten Tips und Abends noch schnell schauen was andere im Internet so für Ideen hatten.
Wenn die Gier zuschlägt
Ich kann heute nicht mal mehr genau sagen, was alles durch mein Depot lief, da ich hierbei nicht alles ordentlich erfasst habe, aber irgendwann war ich soweit und glaubte zu wissen, dass der Dax heute raufgeht ( „muss ja“ ) oder eine in der neuesten Börsenzeitung erwähnte Bude aus dem M-Dax abstürzen wird ( „geht ja garnicht anders“ ). Ich kaufte und verkaufte dementsprechend erst 2-fach, dann 3-fach, dann 5-fach Hebel auf fallende oder steigende Kurse von Märkten oder Einzelaktien.
Mal mit Erfolg, mal gings daneben – aber notfalls einfach später nochmal nachkaufen wenn es bisher nicht entsprechend lief, weil dann ist man ja „günstiger eingestiegen“ *kopfschüttel*
Gefährlicherweise war ich schleichend bereit immer größere Risiken einzugehen ohne es zu realisieren
Wahrscheinlich lag ich damals schon eher unter meiner vorherigen passiv erzielten Rendite, wenn ich denn offen genug gewesen wäre mir das einzugestehen. Aber ich blendete mental immer die „nicht so tollen“ Ergebnisse aus, redete immer nur über meine Erfolge, und habe nicht alles transparent zusammengetragen. Ich habe nie wirlich den Überblick verloren, aber jeder Erfolg wog gefühlt 10mal als die foglenden Misserfolge.
Als Anleger verhält man sich ähnlich wie verschiedene Studien es zeigen, nach denen über 60% aller Leute glauben, bessere Autofahrer zu sein, als der Durchschnitt – hier schlägt die Selbstüberschätzung voll zu!
Der Wendepunkt
Irgendwann im Sommer 2011 habe ich etwas über die Spekulation von Hedgefonds mit griechischen Staatsanliehen gelesen und wie diese mit älteren argentinischen Papiere mittlerweile 300% und mehr „sicheren“ Gewinn gemacht haben. Bei Griechenland sollte das alles ja noch sicherer sein, denn die waren im Euro und die Euro-Zone konnte nicht auseinanderbrechen „whatever it takes“.
Leider hatte ich keine Ahnung was ich dort genau gekauft habe und auch keine Idee über die Unterschiede verschiedener Klassen der Anleihen die für institutionelle vs private Investoren zugänglich sind…naja, der Rest ist Geschichte: Es kam bekanntlich anders und nur wenige ausgewählte Anleihen mit besonderer Konstruktion wurden voll zurückgezahlt, andere – wie meine – wurden „rasiert“ und zum Teil durch 10 verschiedenen Papiere des Euro-Stabilitäts-Fonds ersetzt, die automatisch in meinem Depot eingebucht wurden *Smiley traurig*
Defacto war ich vom einen auf den anderen Tag fast 10.000 Euro los – und zwar real, nicht nur als Buchverlust!
Aber ich hatte noch Glück und kann dem Erlebnis aus heutiger Sicht etwas sehr positives abgewinnen:
- Bis hierher hatte ich zwar absolut viele Tausend Euro eingesetzt und zum guten Teil verloren, aber das war nur ein begrenzter Teil meines Kapitals
- Der Vorgang hatte mich doch ordentlich geschockt (war eben kein schleichender Verlust mehr und ich nicht das Gefühl hier etwas zu riskieren) und mein Anlass nochmal in mich zu gehen und mein Vorgehen zu hinterfragen (Was war da schief gelaufen?)
Meine Erkenntnisse aus der Episode
Die folgende Punkte habe ich mir damals so „im Befehlston“ selbst auferlegt und sinngemäß in einer Excel-Datei mit dem bezeichnenden Namen „Anlagestrategie“ aufgeschrieben:
Alles beginnt mit den Zielen, diese sollten der Maßstab sein. Also setze Dir realistische Ziele, die Deiner Risikotoleranz entsprechen.
Halte Dich an die dem Risiko entsprechende Anlagen. Heute würde ich wohl vom passenden Mix der Anlageklassen und einer Ziel-Allokation für das Re-Balancing sprechen.
Vergleiche Dich nicht mit anderen, die (vielleicht) andere Ziele verfolgen oder nur über etwas reden anstatt wirklich selbst dabei zu sein. Ein Vergleich mit meinen Zielen und ob ich diese mit meinem Vorgehen erreiche ist natürlich okay.
Wenn etwas schief gelaufen ist, mach nicht einfach stur weiter, sondern halte inne und analysiere was die Ursache ist/ war, warum etwas nicht so geklappt hat. Hier ist ganz klar volle Ehrlichkeit mit sich gefragt, auch wenn man selbst eben diese Ursache ist.
Werde nicht gierig, es gibt ein „genug“ und schon 6% im Jahr sind eine SEHR ordentliche Rendite, wenn der Durchschnitt aller Anleger so viel in Tages- und Festgeld angelegt hat, dass real wahrscheinlich weniger als 2% heraus kommen.
Wenn Du wirklich glaubst „Du kannst es besser als andere„, dann arbeite mit einem fixen „Spielgeld“-Betrag, schreibe diesen (direkt am Anfang) ab, setze Dir einen Termin zur Überprüfung und mache diese dann ehrlich und vollständig. Wobei das dann häufig zurück zum ersten Punkt dieser Erkenntnisliste führt…
Hast Du ähnliche Erfahrungen gemacht?
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Ursprünglich hatte ich nur 3 Kapitel zu meiner Börsenkarriere beabsichtigt und dachte damit ist alles gesagt. Während dem Schreiben und in zwischenzeitlichen Diskussionen mit Gleichgesinnten bei FInanztreffen, sind mir nun aber doch noch drei weitere Themen aufgefallen, die relevant sind. Es wird also eher eine Artikelserie im Star Wars Design…die nächste Triologie folgt *Smiley zwinkern*
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