Erkenne und meide schlechte Ratschläge

In den letzten Tagen bin ich über zwei Artikel im Internet gestolpert, die mich nachdenklich gemacht haben. Beide sind wenig objektiv geschrieben und versuchen den Leser jeweils in eine ganz bestimmte Richtung zu leiten – bewusst oder unbewusst.

Nun ist es in Ordnung, dass jeder seine eigene Meinung hat. Das ist richtigerweise ein hohes Gut in einer Demokratie. Allerdings befassen sich beide mit dem Thema Geldanlage, bei dem leider immer noch viele Deutsche nicht wirklich eine (gefestigte und fundierte) Meinung haben. Daher folgen viele vermeintlich guten Ratschlägen von Beratern, Bekannten oder im Internet. Das kann ein Fehler sein…

Gerade im Finanzbereich ist es wichtig Ansichten und Werbung von Fakten zu unterscheiden und sich letztlich eine EIGENE Meinung zu bilden. Nur damit hast Du eine gute Grundlage und wirst auch langfristig Deine Entscheidung erfolgreich durchziehen, weil Du davon überzeugt bist!

Okay, aber wie erkennt man, ob ein Artikel objektiv ist?

Lass mich das ganze konkret an den oben erwähnten 2 Artikeln festmachen und diese als Beispiel nehmen:

Spiegel Plus – „Warum ETF einen Börsencrash auslösen können“

Direkt mal eine angsteinflößende Behauptung als Titel. Lass uns trotzdem sachlich anhand der verwendeten Argumente schauen, ob wir lieber nicht mehr in ETFs investieren sollten und was unsere Alternativen sind.

Da der Artikel zwar auf spiegel.de beworden, aber nicht frei verfügbar ist, hier ein paar Auszüge mit den Kern-Punkten.

"Anleger kaufen immer neue ETF, die dann in sämtliche Aktien eines Index investieren und die Kurse auf breiter Front beflügeln – die Korrelation ist hoch. Diese Anlagemechanik machen ETF zum potenziellen Brandbeschleuniger. Denn fallen die Börsen und verabschieden sich die Anleger aus ETF, müssen die ihre Aktien auf den Markt schmeißen, was den Abwärtsdruck verstärkt."

Die gleiche Kausalkette ergibt sich auch für direkten Aktienbesitz: Wenn mehr Leute kaufen steigen die Kurse, was weitere Leute anzieht. Umgekehrt halt beim Verkauf. Bei ETFs ist diese Kette um einen Punkt länger, denn zuerst werden ETF-Anteile durch die Kunden verkauft, woraufhin die Anbieter dann die enthaltenen Aktien verkaufen. Das Ergebnis ist dasselbe.

Hier wird nett verpackt eine unbegründete Behauptung aufgestellt und bei genauer Betrachtung kein Argument geliefert, warum ETFs diese Effekte verstärken.

"Marktmacht der Platzhirsche [Anmerkung: große ETF Anbieter], die ihre Gebührenausfälle durch Einnahmen an anderer Stelle kompensieren: durch den Verleih von Aktien und Anleihen an kurzfristige Spekulanten wie Hedgefonds."

Inhaltlich stimmt es, dass viele ETFs einen (in der Regel kleinen) Anteil der gehaltenen Aktien gegen Gebühr und Sicherheiten ausleihen. Der Verfasser bringt dieses Vorgehen mit dem negativ besetzen Begriff „kurzfristige Spekulanten wie Hedgefonds“ in Zusammenhang. Er unterschlägt, dass sich dieses Vorgehen nicht von vielen aktiv gemanagten Fonds unterscheidet.

Durch fehlende Vergleichbarkeit wird ein einseitig negatives Bild gezeichnet.

"Noch etwas kommt hinzu: ETF nehmen ihre Aktionärsrechte bei Firmen, in denen sie investiert sind, kaum wahr. ... Manager brauchen qualifizierte Sparringpartner"

Schwieriger Punkt, ich meine gelesen zu haben, dass sich gerade BlackRock durchaus auch einmal einmischt – insbesondere wenn es um Governance Fragen und Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen geht. Bei anderen trifft die Kritik wohl zu, denn insbesondere Vanguard vertritt wohl die Auffassung, dass es nicht deren Aufgabe ist, Unternehmen zu beeinflussen.

Auch könnte man bezweifeln, dass ETFs hier pauschal weniger gut sind, als Einzel-Aktien-Besitzer. Ich habe jedenfalls noch nie in die auf der Hauptversammlung zur Abstimmung stehenden Punkte meiner wenigen Einzelaktien im Depot geschaut. Habt Ihr schon mal?

Wie viel Einfluss können ETFs denn haben und geltend machen? Der Artikel selbst spricht an anderer Stelle von aktuell knapp 5% Anlage- oder Handelsvolumen (welches von beiden wird nicht ganz klar) das durch ETF bestritten wird.

Es werden zusammenfassend einfach keine Relationen dargestellt und gezogen. Besser wäre die folgenden Fragen zu beantworten: Sind alle gleich? Oder gibt es durchaus auch bessere Anbieter? Gibt es ein besseres Vorgehen? Hat dies einen Einfluss?

So viele negative Punkte *Smiley traurig* Lass uns einmal die im Artikel beschriebenen Vorteile von ETFs anschauen:

" "

Fehlt hier was? Nein, leider fehlt hier auf der Seite nichts. Alles wird korrekt angezeigt. Es gibt nicht einen positiven Punkt im ganzen Artikel von knapp 800 Wörtern auf etwa 3 DIN A4 Seiten. Okay, lass mich exakt sein: In der Einleitung wird in genau 27 Wörtern gesagt, dass ETFs günstig und einfach sind.

Auch (weitestgehende) Auslassung ist eine Technik, um den Leser zu beeinflussen – und hier ist es sehr offensichtlich, da auf niedrige Gebühren, einfache Verfügbarkeit und Transparenz praktisch nicht eingegangen wird.

Fazit: In dem ganzen Artikel werden ETFs schlechtgemacht, mit der Überschrift effekthascherisch auf Klickjagd gegangen und KEINE Alternative aufgezeigt.

Kommen wir zum zweiten Artikel:

Die Kleinanleger – „Erste Eindrücke zu FOURMORE. Ein Zukunftsprodukt der Allianz.“

Ich kann es kaum „Artikel“ nennen (dazu gleich), aber es ist als solcher veröffentlicht worden.

"... private Altersvorsorge auf ein neues Level heben ..."

Rational könnte man jetzt fragen: Welche „Level“ von Altersvorsorge gibt es denn? Und was ist das „neue Level“ welches hier erwähnt wird? Dazu finden sich aber keine Angaben.

Die Meta-Ebene enttarnt hier aber einfacher: Wer spricht oder schreibt in diesem Stil? Wo kann man solche Formulierungen regelmäßig lesen? Korrekt, in Broschüren und Anzeigen. Das sind klassische Marketingformulierungen.

"... jedenfalls attraktiver als keine Kapitalgarantie ..."

Das Wort „attraktiver“ suggeriert hier einen Vergleich, der aber gar nicht dargestellt wird. Für einen Vergleich müsste man darstellen, dass typischerweise jede Form von Garantie Geld kostet. Ganz klassisch zeigt sich das beim Vergleich von Tagesgeldkonten (Garantie, praktisch kein Risiko = wenig Zinsen) zu Aktien (hohe Schwankungen = hohe Erträge). Hier wird nicht einmal erwähnt, dass diese Garantie nicht umsonst zu haben ist. Auch die Vorteile werden nicht quantifiziert und nicht zu den Kosten in Relation gesetzte.

So bleibt es schlicht eine unbegründete Behauptung

"... ich werde das Produkt mit Sicherheit langfristig testen ..."

Hoppla, ganz am Ende ein entscheidender Hinweis – wenn man den Satz richtig liest. Der Artikel erweckt durch den persönlichen Stil „ist mir persönlich“, „ich möchte“ sowie Nennung des Autors über dem Text durchgängig den Eindruck hier schreibt jemand über seine eigene Erfahrung. Aber die Formulierung „werde … testen“ ist Futur und gibt zu verstehen, dass der Autor dieses Produkt bisher nicht genutzt hat. Auch die Tags sind hier aufschlussreicher als der Text, findet sich doch sehr klein der Tag „#werbung“.

Achte neben dem generellen Stil, welcher einen falschen Eindruck erwecken kann immer auch auf die Details.

Fazit: Hier findet sich einfach keine kritische Betrachtung, keine Risiken oder ähnliches, obwohl zum Beispiel bei den Kosten oder der „Kapitalgarantie“ offensichtliche Anknüpfungspunkte bestehen würden. Dieser Artikel ist reine Werbung!

Was heißt das jetzt für Dich?

Mir ist nicht wichtig, dass Du zu den 2 hier beispielhaft genutzten Artikel die gleiche Meinung hast wie ich. Vielmehr kommt es mir darauf an, dass Du in der Lage sein musst, dargestellte Sachverhalte zu verstehen und zu hinterfragen, BEVOR Du darauf gestützt langfristige Entscheidungen triffst!

Sei kritisch! Hinterfrage Details und Zusammenhänge! Bilde Dir eine EIGENE Meinung!

Also stelle Dir ab jetzt gerne häufiger folgende Fragen, nachdem Du einen „interessanten“ Artikel gelesen hast. Musst Du eine davon mit „Ja“ beantworten, sei besonders vorsichtig:

  • Macht ein Artikel nur etwas schlecht ohne Alternativen aufzuzeigen?
  • Wird etwas als nur gut beschrieben ohne Risiken und Nachteile zu beleuchten?
  • Klingt es wie Werbung oder werden typische Marketingformulierungen verwendet?

Wann bist Du das letzte Mal über einen ähnlichen Artikel oder Beitrag gestolpert? Schreib mir gerne einen Kommentar

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